Essen und Trinken in früheren Zeiten - Tag der Archive am 3. März 2024

Mit Streifzügen durch die regionale Kultur des Essens und Trinkens laden das Biberacher Stadtarchiv und das Wieland-Archiv am Sonntag, 3. März, zum bundesweiten Tag der Archive ein. Das Haus der Archive in der Waldseer Straße 31 in Biberach hat von 11 bis 17 Uhr geöffnet und bietet ein interessantes Programm, das sich unter anderem dem Wandel in der Biberacher Gaststättenlandschaft, historischen Speisekarten und den „Schwäbischen Singvögeln“ widmet.

Sie hatten Auftritte in ganz Europa, sangen Volkslieder und waren meist mehrere Monate am Stück auf Tournee: Georg, Auguste und Kathinka Rommer waren Ende des 19. Jahrhunderts ein gefragtes Gesangsensemble. Als die „Schwäbischen Singvögel“ waren sie weit über die Grenzen ihrer Heimatstadt Biberach hinaus bekannt. Sie wohnten in der Gymnasiumstraße im Gasthof zur Goldenen Ente, den ihr Vater Johann Georg Rommer 1874 erworben hatte. Im Januar 1883 wagten die Geschwister – wie viele andere in jener Zeit – den Aufbruch in die neue Welt, sie wollten nach Amerika. Zuvor gaben sie noch ein Abschiedskonzert in Biberach. Es sollte der letzte Auftritt der „Schwäbischen Singvögel“ sein. Ihr Leben endete abrupt. Das Schiff, das sie eigentlich nach Amerika bringen sollte, versank nach einer Kollision in der Nordsee. Georg Rommer wurde 27, Auguste 25 und Kathinka 21 Jahre alt.

Die musikalische Erfolgsgeschichte der Geschwister Rommer, die Franz Schlegel in einem Vortrag näher erläutert und mit historischen Bildern und Plakaten veranschaulicht, ist nur einer von vielen Aspekten, die beim Tag der Archive unter dem Motto „Essen und Trinken“ aufbereitet werden. „Dieses Thema bietet natürlich viele Möglichkeiten, um ein abwechslungsreiches Programm zu gestalten“, sagt Ursula Maerker, Leiterin des Biberacher Stadtarchivs. Essen und Trinken gehörten schließlich zu den Grundbedürfnissen.

So liegt kommenden Sonntag ein Schwerpunkt auf der Entwicklung der Gaststättenlandschaft in Biberach, wurden doch in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten viele traditionelle Gaststätten aufgegeben. Für den Tag der Archive wurde ein Plan erarbeitet, der einen Überblick über frühere und bis heute existierende Gaststätten gibt. „Unsere Daten reichen zurück bis ins 15. Jahrhundert“, sagt Ursula Maerker. Sie betont, dass Gaststätten früher der Ort waren, an dem sich die Menschen trafen, Kontakte knüpften, Informationen austauschten. Bereits im Jahr 1698 führte das Steuerbuch 29 Wirtschaften in Biberach. Am Sonntag werden zwölf Biberacher Gaststätten näher vorgestellt – die Ausstellung mit diesem historischen Streifzug durch die Gaststättenlandschaft ist anschließend noch bis 31. März im Haus der Archive zu sehen.

Anknüpfend daran hält Alexander Kissmann, Student der Europäischen Kultur- und Ideengeschichte, einen Vortrag mit dem Titel „Vom einzelnen Gericht bis zur vollen Speisekarte – kurze Ideengeschichte zu Gasthäusern“. Er beleuchtet, wie Speisekarten einst gestaltet waren und skizziert deren Entwicklung. „Speisekarten führten früher oft nur ein Gericht, es ging in erster Linie um die Sättigung von Durchreisenden“, sagt Archivleiterin Maerker. „Erst im 18. und 19. Jahrhundert etablierten sich vollwertige Speisekarten.“

Literarischer Impuls

Darüber hinaus werden um 12 und 14 Uhr Führungen durch das Stadtarchiv und das Wieland-Archiv angeboten. Kerstin Bönsch, Leiterin des Wieland-Archivs und Geschäftsführerin der Wieland-Stiftung, bietet einen Impuls zu „Literatur mit viel Geschmack“ an. „Es wird kleine literarische Kostproben geben“, sagt Kerstin Bönsch. „Unter anderem von Thomas Mann, Günter Grass und natürlich Christoph Martin Wieland.“ Sie kündigt eine Mischung aus Vortrag und Lesung mit einem „bunten Reigen aus verschiedenen literarischen Essenzen“ an, bei denen es rund um das Thema Essen gehe. Beispielsweise könne man bei der Familie Buddenbrook kurz mit am Tisch sitzen. Der Leiterin des Wieland-Archivs ist es ein grundsätzliches Anliegen, Literatur zu vermitteln. Das Thema des diesjährigen Archivtags sei dafür ein spannendes, wenn man Essen und Trinken als Kulturprodukt betrachte, das als solches auch Eingang in die Literatur finde.

Der Tag der Archive bietet ein Programm für die ganze Familie. Kinder können unter Anleitung von Hanne Reichle Teller mit bunten Farben und historischen Gestaltungselementen bemalen. Bei einer Rezeptbörse werden Lieblingsrezepte von Biberacherinnen und Biberachern gesammelt und an Interessierte ausgegeben. Erste Rezepte wie zum „Biberacher Milzle“ haben Ursula Maerker schon erreicht, sie freut sich aber noch auf weitere Einsendungen. Die beiden Archiv-Leiterinnen verstehen den Tag der Archive als niederschwelliges Angebot für die gesamte Bevölkerung. Wer sich daran anschließend mit einzelnen Themen intensiver auseinandersetzen möchte, sei jederzeit willkommen. „Wir sind ein offenes Haus, bei uns kann jeder gerne selbst forschen.“

Das Haus der Archive ist am 3. März von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Das gesamte Programm gibt es unter www.wieland-museum.de. Der Eintritt ist kostenlos. Lieblingsrezepte für die Rezeptbörse können im Vorfeld per E-Mail an stadtarchiv@biberach-riss.de geschickt oder im Haus der Archive abgegeben und eingeworfen werden.

Auszug aus dem Programm:
  • 11 Uhr: Eröffnung mit Kerstin Bönsch, Geschäftsführerin der Wieland-Stiftung und Ursula Maerker, Leiterin des Stadtarchivs
  • anschließend: „Literatur mit viel Geschmack: Kulinarik und Diäten bei Wieland, Mann, Grass & Co“, Vortrag von Kerstin Bönsch
  • 12 Uhr: Führung durchs Stadtarchiv und Wieland-Archiv
  • 13 Uhr: „Vom einzelnen Gericht bis zur vollen Speisekarte – kurze Ideengeschichte zu Gasthäusern“, Vortrag von Alexander Kissmann
  • 14 Uhr: Führung durchs Stadtarchiv und Wieland-Archiv
  • 15 Uhr: „Die Schwäbischen Singvögel aus Biberachs Goldener Ente – die internationale musikalische Erfolgsgeschichte der Geschwister Rommer im 19. Jahrhundert“, Vortrag von Franz Schlegel
  • 11–17 Uhr: „Krone, Laute, Tweety & Co – ein historischer Streifzug durch die Gaststättenlandschaft Biberachs“, Ausstellung des Stadtarchivs