16.12.2023

Tiefengeothermie: Biberach hat wohl Potenzial

CO2 -neutral, unerschöpflich, unabhängig von Saison und Tageszeit: Die Tiefengeothermie bringt viele Vorteile mit sich. Kann das bei dieser Methode gewonnene warme oder heiße Wasser in Zukunft als Energieträger für Wärmenetze in Biberach genutzt werden? Um eine Antwort auf diese Frage zu bekommen, hat die Stadt erste Schritte eingeleitet. Darüber informierte die Verwaltung im Bauausschuss. Was bereits deutlich wurde: Das Verfahren ist teuer und wird mehrere Jahre dauern.

Im November vergangenen Jahres hatte die CDU-Fraktion den Antrag gestellt, „intensiv die Nutzung von (tiefer) Geothermie für die Heizzentrale Breslaustraße“ zu prüfen. Von Tiefengeothermie spricht man in der Regel ab Bohrungen mit mehr als 400 Meter Tiefe unter der Geländeoberkante.

Gebraucht werden zwei Bohrungen. Über eine Förderbohrung wird das warme Wasser an die Oberfläche gepumpt, ein Wärmetauscher entzieht dem Wasser an der Oberfläche die Wärme. Das abgekühlte Wasser wird wiederum über eine Injektionsbohrung in die Tiefe zurückbefördert. Damit die beiden Bohrungen sich nicht gegenseitig beeinflussen, müssen sie mindestens 800 Meter auseinanderliegen.

Wie die städtische Klimaschutzmanagerin Lisa-Marie Schröder erklärte, werde in Biberach von einem recht hohen Potenzial der Tiefengeothermie ausgegangen. Sie verwies auf das Jordanbad, wo seit 1984 erfolgreich Thermalwasser aus circa 1.000 Meter Tiefe mit einer Temperatur von 47 Grad Celsius gefördert wird. Zwei geologische Schichten seien für Biberach relevant: Weißjura und Oberer Muschelkalk.

Aus dem Weißjura, der oberen Schicht, gewinnt das Jordanbad seine Wärme. Beim tiefer liegenden Oberen Mu-schelkalk (rund 1.500 Meter) können hingegen Temperaturen von mehr als 70 Grad Celsius erreicht werden. Da für die Wärmenetzversorgung eine höhere Vorlauftemperatur benötigt wird, wäre diese Schicht die geeignetere. „Diese Variante ist aber auch mit höheren Kosten und Risiken verbunden“, so Schröder.

Bohrungen kosten Millionen
Die Gesamtkosten bezifferte sie auf mindestens acht Millionen Euro. Schröder betonte aber auch, dass sich die Kostenentwicklung schwer abschätzen lasse. Klar sei: je tiefer, desto teurer. Allein jeder Bohrmeter kostet derzeit rund 2.000 Euro – was bei zwei Bohrungen und einer Tiefe von 1.500 Meter schon allein Bohrkosten in Höhe von sechs Millionen Euro verursachen würde.

Doch bis dahin sind noch viele Eventualitäten zu klären. „Die Tiefengeothermie kann eine wichtige Möglichkeit sein, um Wärme für unser Netz zu gewinnen“, sagte Baubürgermeister Christian Kuhlmann. „Wir sollten diesen Weg beschreiten, aber Schritt für Schritt.“ Jeder dieser Schritte benötige viel Zeit. Kuhlmann nannte einen Zeitraum von acht bis zehn Jahren, bis die Bohrung erfolgt sei und tatsächlich Wärme produziert werden könne. „Wir dürfen uns nichts vormachen, das sind bei einem solch anspruchsvollen Projekt die normalen Zeitläufe.“

Seit September liegt der Stadt eine sogenannte Aufsuchungsgenehmigung für ein Areal vom südlichen Stadtgebiet bis Birkendorf vor, mit der innerhalb von fünf Jahren erste Voruntersuchungen gemacht und verschiedene Bohrplätze genauer betrachtet werden dürfen. Unterstützt wird die Stadt dabei von einem Team der Hochschule Biberach um Professor Roland Koenigsdorff. In der Voruntersuchung werden nicht nur alle vorhandenen Daten zusammengestellt, sondern die Tiefengeothermie auch mit anderen Optionen der nachhaltigen Wärmeversorgung verglichen. Zum Beispiel große Pumpen, die dem Wasser der Riß Wärme entziehen.

Im Frühjahr soll die Entscheidung getroffen werden, ob die Tiefengeothermie in Biberach zur Wärmeversorgung weiterverfolgt werden soll. Daraufhin wird voraussichtlich eine Seismik notwendig, die Erd- und Gesteinsschichten grafisch darstellt und Grundlage bei der Suche nach einem geeigneten Bohrplatz ist. Dieser Schritt benötigt wie alle möglicherweise folgenden eine eigene Genehmigung.

Kritik am Tempo
CDU-Fraktionschef Friedrich Kolesch erklärte, dass seine Fraktion trotz aller Anstrengungen ein absoluter Befürworter der Tiefengeothermie sei. Er kritisierte allerdings, wie viele Schritte in dem Prozedere notwendig sind. „Es muss schneller gehen, das ist das negative Deutschland-Tempo.“ Kolesch regte an, ein Signal an die Politik zu senden und über die Abgeordneten, Landrat und Regierungspräsidium Einfluss zu nehmen. „Wir müssen solche Dinge ändern, sonst kommen wir nie weiter.“

Silvia Sonntag (Grüne) rückte mehr die Großwärmepumpen für die Wärmegewinnung aus Flusswasser ins Zentrum ihrer Ausführungen. „Unsere Fließgewässer wären dankbar über eine Abkühlung, vielleicht ist das eine schnellere und günstigere Möglichkeit.“ Sie begrüße es, wenn man sich nicht nur auf Tiefengeothermie konzentriere.

Die Option Tiefengeothermie solle weiterverfolgt werden, sagte Magdalena Bopp (FW). Sie vertraue hier auch auf die Expertise der Hochschule. Zur Energiezentrale Breslaustraße merkte sie an, dass die Wärme dort mit Holzhackschnitzeln zwar schon regenerativ erzeugte werde, trotzdem müsse das Material erst mit Lastwagen transportiert werden.

Waltraud Riek (SPD) sähe die Tiefengeothermie als „Sechser im Lotto“, gleichwohl müsse noch viel abgewogen werden. „Wir stellen uns schon auf einen Halbmarathon oder Marathon ein.“

Oliver Lukner (FDP) bescheinigte der Tiefengeothermie „sehr großes Potenzial“, sie sei aber auch ein an-spruchsvolles und nicht günstiges Projekt. „Wenn wir diesen Energieschatz aber heben können, sollten wir das tun.“