25.01.2024

Kulturdezernent Dr. Jörg Riedlbauer in den Ruhestand verabschiedet

Passender hätte der Rahmen nicht sein können: Beim Winterkonzert des Sinfonieorchesters des Musikvereins Biberach in der Stadthalle ist Dr. Jörg Riedlbauer am Sonntag in den Ruhestand verabschiedet worden. Seine mehr als 15-jährige Tätigkeit als Kulturdezernent in Biberach beendete er mit dem Taktstock in der Hand: Bei der Arie des Hans Sachs „Verachtet mir die Meister nicht“ aus Wagners Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ übernahm Riedlbauer das Dirigat.
OB Norbert Zeidler (l.) dankte Kulturdezernent Dr. Jörg Riedlbauer und schloss dabei ausdrücklich Riedlbauers Frau Ute Hermann ein.; © Stadt Biberach

Zuvor hatte das Sinfonieorchester die Akademische Festouvertüre op. 80 (Johannes Brahms), die Arie des Rocco „Hat man nicht auch Gold beineben“ aus der Oper Fidelio (Ludwig van Beethoven), gesungen von Christoph Schweizer, und die Suite Gothique op. 25 (Léon Boëllmann) zum Besten gegeben. Letztere erklang in einer Bearbeitung für großes Orchester durch Jörg Riedlbauer und bot somit den passenden Übergang zu dessen Abschiedsrede.

Der scheidende Dezernent blickte auf die kulturellen Neuentwicklungen in Biberach seit seinem Amtsantritt im Oktober 2008 zurück, führte dabei unter anderem den Kulturparcours, die Bürgeroper, den Club modern, das neugestaltete Wieland-Gartenhaus und die neue Skulptur des Künstlers Robert Schad vor dem einstigen Lager Lindele auf. Es sei „sehr beglückend“, in der Rückschau Revue passieren zu lassen, was gemeinsam im Team alles angepackt, bewerkstelligt und umgesetzt wurde.

„Am liebsten würde ich jetzt jeder und jedem persönlich danken“, sagte Riedlbauer, was jedoch bei fast 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kulturdezernat den Rahmen sprengen würde. Stellvertretend übergab er daher drei Frauen aus seinem unmittelbarsten Kreis (Renate Einsiedler, Kulturamtsleiterin Dorothea Weing und seiner Frau Ute Hermann) einen Blumenstrauß und brachte seine Dankbarkeit zum Ausdruck.

Riedlbauer nutzte seine Abschiedsrede auch, um anzumerken, dass er nach seinen Erfahrungen aus mehr als 30 Jahren kulturpolitischer Tätigkeit den von einstigen kulturpolitischen Meinungsführern wie Hermann Glaser oder Hilmar Hoffmann geprägten Slogan „Kultur für alle“ differenzierter betrachte.

Natürlich müsse Kulturpolitik Zugänge für alle schaffen, um möglichst Viele für Kunst und Kultur zu begeistern. „Aber es wäre fatal zu glauben, alle dadurch erreichen zu können, dass man die Qualitätsmaßstäbe absenkt.“ Kulturelle Bildung solle sich bloß davor hüten, durch Niveauabsenkung jemanden erreichen zu wollen, „der ohnehin nicht berührbar ist und auch erst gar nicht berührt werden will“. Glücklicherweise seien die meisten Menschen noch immer berührbar.

Was Riedlbauer ebenfalls anbrachte: Kultureinrichtungen seien kein Luxus für gute Zeiten, „sondern unverzichtbar für das Sozialgefüge unserer Städte, deren lebendiger Mittelpunkt sie sind“. Riedlbauer schloss seine Rede damit, dass er seine Funktion des Kulturdezernenten wieder an die Bürgerinnen und Bürger zurückgebe und in jenen Beruf zurückkehre, in dem er vor 41 Jahren examiniert habe – und daraufhin vom Redner- ans Dirigentenpult wechselte.

Oberbürgermeister Norbert Zeidler hatte eingangs in seiner Rede Riedlbauers beruflichen Werdegang kurz skizziert. Nach Stationen im akademischen Mittelbau an der Universität Regensburg und 15 Jahren als Generalsekretär des bayerischen Musikrats sei er 2008 nach Biberach gewechselt, „in den kulturellen Olymp Oberschwabens“. Der kulturelle Schatz Biberachs sei bunt, vielfältig, ansprechend und auch anspruchsvoll und die Aufgaben der Kultur seien ein Sinnbild des Lebens, reichten von Lachen über Staunen bis Weinen.„Hier werden aus Kindern selbständige, selbstbewusste junge Menschen“, so Zeidler. Bildung und Kultur seien „Garantie, gar Bollwerk gegen rechten Unsinn“, der sich zunehmend ausbreite.

Meisterstück zum Abschluss

Zeidler betonte, dass in der Ägide Riedlbauer jährlich Überschüsse im Kulturbudget erwirtschaftet worden seien, die dem Folgejahr gutgeschrieben wurden. „Das gibt dem Finanzdezernenten das gute Gewissen, genügend Mittel bereitgestellt zu haben, aber auch dem Kulturdezernenten das gute Gefühl, gut gewirtschaftet zu haben. Eine klassische Win-win Situation.“

Die Bilanz des scheidenden Kulturdezernenten könne sich sehen lassen. Die Spanne reiche von kultureller Bildung über Fragen der kommunalen Kulturpolitik, der überörtlichen Interessenvertretung, der Weiterentwicklung der städtischen Einrichtungen bis hin zu den Heimattagen 2023. „Ich glaube, ich darf sagen: Sie haben zum Abschluss Ihrer Laufbahn nochmals ein Meisterstück hingelegt.“

Der OB bedankte sich beim „einzigen Träger höherer akademischer Weihen in unserem Dezernentenkreis“ für sein engagiertes und leidenschaftliches Wirken für Biberach. Zeidler überreichte Riedlbauer neben einem Biberacher Kulturgutschein die gebundene und gedruckte Erstauflage seines Arrangements der Suite Gothique von Léon Boëllmann, das bislang nur in einer handschriftlichen Fassung vorlag.

Musikdirektor Andreas Winter leitete nicht nur das Konzert, sondern hielt im Namen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch eine Ansprache, die den Menschen Jörg Riedlbauer charakterisierte und näherbrachte: von der kulinarischen Leidenschaft über Kochkünste bis hin zu seinen Kritiken. „Solche Kritiken findet man selten“, sagte Winter, aber Musikwissenschaft und Germanistik seien nun mal das Zuhause von Jörg Riedlbauer, dem er für den neuen Lebensabschnitt alles Gute wünschte: „Genießen Sie Ihren Ruhestand.“

Nachfolge steht am 1. Februar fest

Den musikalischen Schlusspunkt der Veranstaltung setzte das Sinfonieorchester mit der Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 19 von Carl Maria von Weber, ehe OB Zeidler nochmals ans Rednerpult trat. Er lobte das Orchester als ein Paradestück dessen, „was die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt immer wieder auf den Weg bringen“.

Über die Nachfolge von Jörg Riedlbauer entscheide der Biberacher Gemeinderat im Übrigen am 1. Februar. Fest stehe bereits, so Zeidler, dass eine Frau künftig das Dezernat leiten werde.