04.10.2023

Intensive Diskussion um ein bisschen mehr Grün

Mehr Grün, mehr Sitzgelegenheiten und mehr Fahrradabstellplätze, dafür weniger Parkplätze für Autos: Der westliche Marktplatz soll kommendes Jahr attraktiver gestaltet werden. Verwaltung und Gemeinderat setzen mit der geplanten Umgestaltung einen im Bürgerbeteiligungsprozess „Platz für alle“ mehrfach geäußerten Wunsch um. Vorausgegangen war der Entscheidung eine muntere Diskussion im Bauausschuss.

Wenig Aufenthaltsqualität, schmale Gehwegflächen, kaum Grün: Der Bereich zwischen dem Eseldenkmal und dem Holzmarkt gehört nicht zu den attraktivsten in der Biberacher Innenstadt. Stadtplanungsamtsleiter Roman Adler sprach im Bauausschuss von „funktionalen Defiziten“, die der westliche Marktplatz aufweist. Der eigentlich „recht üppige Bereich“ für Fußgänger reduziere sich durch Mobiliar, sonstige technische Anlagen und Außengastronomie deutlich. „So haben wir für Fußgänger eine wesentlich geringere Aufenthaltsqualität als eigentlich möglich wäre.“

Die Verwaltung schlug deshalb vor, die Anzahl der Stellplätze in diesem Bereich von derzeit 27 auf 19 zu reduzieren. In Abhängigkeit der neu gestalteten Außengastronomie in der warmen Jahreszeit reduziert sich die Zahl der Stellplätze auf 14. Konkret sollen vor den Gebäuden Marktplatz 31 (Metzgerei Koch, Bäckerei Keim & Brecht) sowie Marktplatz 27 (Bäckerei Zoll) anstatt der Parkplätze Flächen für Außengastronomie entstehen, eingegrünt und von der Straße abgeschirmt durch kleinere Pflanzkübel wie am Hafenplatz. Für ein einheitliches Bild bei der Außengastronomie will die Stadt die beiden Flächen auf eigene Kosten gestalten und abgrenzen.

Großzügiger und attraktiver

Auf der Südseite sollen fünf Bäume in großen Pflanzkübeln für Grün zwischen den Parkplätzen sorgen. Stellplätze für Zweiräder sind am westlichen und östlichen Ende vorgesehen, hier sind auch Sitzmöglichkeiten geplant. Die bisherige Möblierung auf dem Gehweg soll analog zur Außengastronomie so weit wie möglich zurückgenommen werden. Der gesamte Bereich soll durch diese Maßnahmen deutlich aufgeräumter wirken, erklärte Stadtplanungsamtsleiter Adler. Auf der Nordseite sind beim Kleeblatt-Haus zwei weitere Baumkübel vorgesehen, die Flächen für Anlieferung und Taxi bleiben erhalten.

Baubürgermeister Christian Kuhlmann erklärte: „Wir wollen insgesamt eine großzügige und attraktivere Situation schaffen.“ Er verwies außerdem auf die mit den Pflanzkübeln verbundene Flexibilität. So können die kleinen Pflanzkübel im Bereich der Außengastronomie beispielsweise im Winter entfernt und die Flächen in dieser Zeit wieder als Parkplätze genutzt werden, die Baumkübel sollen stehen bleiben. In Summe kalkuliert die Verwaltung für diese Maßnahmen mit rund 85.000 Euro, die Umsetzung soll Ende des ersten Quartals 2024 erfolgen.

Der Gemeinderat hatte sich mit der Umgestaltung bereits in einer Klausur befasst und dabei einen Grundkonsens gefunden, dass sich etwas ändern soll, ohne Maximalforderungen. In den vergangenen Jahren gab es für diesen Bereich zudem mehrere Anträge. Von der Schrägaufstellung der Parkplätze (FDP) bis hin zum Abbau aller Parkplätze (SPD und Grüne). Ähnlich breit gefächert gestaltete sich auch die Diskussion im Bauausschuss. Paul Lahode erklärte, die CDU stimme dem Vorschlag zu, ein Gesamtkonzept für den westlichen und östlichen Marktplatz sowie den Holzmarkt wäre seiner Fraktion aber lieber gewesen. Dass dies aufgrund unterschiedlicher Planungsstände und Anforderungen an die einzelnen Plätze nicht zeitnah funktioniert, hatte Baubürgermeister Kuhlmann zuvor erklärt. Lahode äußerte die Hoffnung, dass dadurch kein „Flickenteppich“ entsteht. Die Attraktivierung des Marktplatzes sei wichtig, die Reduzierung der Stellplätze kein Problem, wenn sich eine sinnvolle gastronomische Nutzung ergebe. Seinem Kenntnisstand nach habe eine der Bäckereien kein Interesse an einer Außengastronomie in der vorgeschlagenen Art. „Wichtig ist, dass die Gastronomen eine Entscheidungsfreiheit haben“, so Lahode. Letztlich werde es immer eine Kompromisslösung sein – Stellplätze seien auch wichtig für Handel, Gewerbe und Praxen.

Josef Weber (Grüne) bewertete dies anders. Seine Fraktion wolle einen westlichen Marktplatz ohne Autoparkplätze, mit Ausnahme der Behindertenparkplätze. Dadurch würde auch der Parksuchverkehr weniger. Weber forderte mehr Fahrradbügel und merkte an, dass die geplanten Bäume eigentlich in die Erde gehörten und nicht in Kübel. „Wir brauchen mehr lebendigen Schatten in der Innenstadt.“ „Diese Planung halten wir nicht für den großen Wurf“, sagte Magdalena Bopp (FW). Die Gestaltung sei nicht besonders gelungen, nicht alle Bäckereien hätten Interesse an der geplanten Außengastronomie. Im Zweifelsfall solle man die Zahl der Parkplätze erst einmal belassen, da diese für die Bäckereien und die Metzgerei gleichwohl wichtig seien. „Bitte machen Sie uns nochmals einen Vorschlag“, sagte Bopp in Richtung Verwaltung. Ablehnung gab es auch aus Reihen der SPD, aber gänzlich anders begründet. Der heiße Sommer habe gezeigt, dass der Marktplatz stärker begrünt werden müsse, sagte Gabriele Kübler. Ihre Fraktion würde gerne bei dem Vorschlag der Verwaltung mitgehen. „Aber lassen wir es sein, das bringt wirklich nichts“, nahm sie Bezug auf die zuvor getätigten Äußerungen. Mit den eventuellen Änderungen, die nun vorgeschlagen würden, sei ihre Fraktion nicht einverstanden.

Jeder Parkplatz sei wichtig, betonte Günter Warth (FDP). Ohne den gesamten Marktplatz im Blick zu haben, könne man nicht nur über den westlichen Teil entscheiden. Zumal die Not im östlichen Bereich „noch viel größer“ sei. „Im Sommer ist er aufgrund der Hitze eigentlich nicht mehr nutzbar.“ Deshalb gelte es, das große Ganze im Blick zu behalten. Die FDP begrüße mehr Grün. „Aber muss alles zu Lasten von Parkplätzen gehen?“, fragte Warth, der auch weitere Fahrradabstellplätze in an den Marktplatz angrenzenden Bereichen vorschlug.

Kuhlmann: „Solider Kompromiss“

Überrascht von diesen Diskussionen zeigten sich sowohl Christian Kuhlmann als auch Roman Adler. „Alle wollen mehr Grün und mehr Aufenthaltsqualität“, konstatierte Kuhlmann. „Aber das geht häufig nur dort, wo Parkplätze sind.“ Bäume an dieser Stelle ins Erdreich zu pflanzen sei aus mehreren Gründen nicht möglich: Neben den Schützenfesttribünen verhinderten dies zu vertretbaren Kosten auch der Stadtbach und unterirdische Leitungen. „Wir haben versucht, einen soliden Kompromiss zu finden“, sagte Kuhlmann. Er habe „Platz für alle“ auch so verstanden, dass man bereit sei, etwas zu verändern.

Nach weiteren Wortmeldungen aus dem Gremium, in denen sich die Fraktionen überwiegend kompromissbereiter zeigten, zeichnete sich nach rund einstündiger Diskussion doch noch eine Lösung ab. Mit den Bäckereien soll wegen der Außengastronomie nochmals gesprochen wer-den. Baubürgermeister Kuhlmann betonte, dass für diese kein Zwang bestehe. Sollte keine Außengastronomie in der vorgeschlagenen Form gewünscht sein, könnten die betroffenen Stell-plätze – mit Ausnahme der kalten Jahreszeit – trotzdem für eine „multifunktionale Nutzung“ mit Grün und Sitzmöglichkeiten ausgestattet werden. Letztlich sei all dies ein Versuch, ordnete Kuhlmann ein. Dem Bauausschuss werden vor einer Umsetzung konkrete Gestaltungsvorschläge für die Multifunktionsflächen zur Freigabe vorgelegt. „Wenn es nicht funktioniert, können wir die Dinge jederzeit anders gestalten.“

Bei drei Enthaltungen wurde der Vorschlag der Verwaltung im Bauausschuss schließlich angenommen. Eine Mehrheit erfuhr die Umgestaltung eine Woche später auch im Gemeinderat. 17 Räte stimmten dafür, elf dagegen, drei enthielten sich. Bei sieben Gegenstimmen sprach sich die Mehrheit auch dafür aus, die 2019 von der FDP-Fraktion beantragte Schrägaufstellung der Parkplätze am Marktplatz nicht weiterzuverfolgen.

Der westliche Marktplatz soll attraktiver werden. Dafür soll es unter anderem Flächen für Außengastronomie und weniger Parkplätze geben.; © BIKO