05.07.2023

Gewerbesteuereinbruch: Gemeinderat beschließt erste Sparmaßnahmen

Zeit für einen Mentalitätswechsel
Biberach rechnet für 2024 mit bis zu 30 Millionen Euro weniger Gewerbesteuer im Vergleich zu den Vorjahren. Darüber hatte Oberbürgermeister Norbert Zeidler bereits Ende vergangenen Jahres informiert. In der Zwischenzeit gibt es erste Vorschläge, wo Biberach den finanziellen Gürtel enger schnallen könnte. Der OB stimmte den Gemeinderat in der jüngsten Sitzung auf den bevorstehenden Sparkurs ein und es wurden erste Sparmaßnahmen beschlossen.
Stadtansicht vom Gigelturm; © Appel Andrea

Ende November 2022 hatte Biberachs größter Gewerbesteuerzahler der Stadt mitgeteilt, dass künftig mit deutlich weniger Gewerbesteuer zu rechnen sei. In der jüngsten Gemeinderatssitzung verdeutlichte der OB nochmals, dass zusammen mit anderen Entwicklungen ein Fehlbetrag in der Größenordnung von 25 bis 30 Millionen Euro brutto „keine Luftnummer ist, sondern tatsächlich Fakt“.

Für 2025 zeichne sich zwar etwas Linderung ab, aber keine Lösung der Probleme. Das Delta für übernächstes Jahr werde derzeit auf 15 bis 20 Millionen Euro geschätzt. „Diese Volatilität, dieses Auf und Ab und damit die Unberechenbarkeit, sollte uns in unseren Sparbemühungen übrigens anfeuern, wir müssen finanziell resilienter werden“, erklärte Zeidler, der auch darauf verwies, dass sich Biberach in der Vergangenheit einiges leisten konnte. „Deutlich mehr als andere Städte.“ Jetzt sei aber Zeit für einen Mentalitätswechsel.

Mit den vorhandenen Mitteln sei gut und vorsichtig gehaushaltet worden, jetzt müsse nachgesteuert werden. Das Schwierige sei, dass jedes „Fettpölsterle“ für sich genommen unproblematisch und sogar gut erklärbar sei. Zeidler nannte exemplarisch den günstigen ÖPNV, die günstige Kinderbetreuung mit ihren hohen Standards, niedrige Parkgebühren und eine „sicherlich mehr als üppige Vereinsförderung“.

Wenn es ums Sparen gehe, müsse sich die Verwaltung aber auch an die eigene Nase fassen, habe sie doch auch von den Steuereinnahmen profitiert. „Auch wir müssen da umdenken, das sage ich durchaus selbstkritisch.“

Vieles wird erst noch diskutiert

Zeidler verwies auf drei Listen mit Einsparpotenzialen, die mittlerweile von den Dezernenten erarbeitet und mit den Amtsleitern sowie dem Gemeinderat in einer Klausurtagung diskutiert wurden: eine mit größeren Posten und Summen, sogenannte Big Points, eine mit finanziell mittleren Sparmaßnahmen und eine speziell für den kulturellen Bereich. Insgesamt ergeben sich voraussichtlich 23 Vorlagen, die im Gemeinderat in den nächsten Monaten zur Diskussion gestellt werden. Das Gremium beschließt dann, ob und in welchem Umfang jeweils gespart wird.

Auf der „Big Points“-Liste tauchen die Vermeidung von Doppelsubventionen im ÖPNV (geschätztes Sparpotenzial 700.000 Euro), die Überprüfung von Abschreibungszeiträumen bei Baumaßnahmen (2.000.000 Euro), die Abschaffung des kostenfreien dritten Kindergartenjahres (550.000 Euro), Personalabbau (130.000 Euro), die Reduzierung der Abmangelbeteiligung bei Kindergärten freier Träger (mögliche Einsparsumme noch offen) und interne Sparmaßnahmen in der Verwaltungszuständigkeit (100.000 Euro) auf.

Auf der anderen Seite sollen die Einnahmen erhöht werden. Durch die Anpassung der Gebühren in der Kinderbetreuung an den Landesrichtsatz könnte schätzungsweise ein Plus von 200.000 Euro generiert werden, durch die Einführung einer Zweitwohnsitzsteuer 50.000 Euro. Weitere 850.000 Euro an Einnahmen könnte die Erhöhung des Hebesatzes für die Gewerbesteuer auf 340 Prozentpunkte ergeben.

Nach der Grundsteuerreform könnten zudem der Hebesatz für die Grundsteuer A/B auf 400 Prozentpunkte erhöht und die Einführung einer Grundsteuer C geprüft werden. Unterm Strich könnte dies die städtischen Finanzen um 4,58 Millionen Euro entlasten. Außerdem soll Geld aus der Ergebnisrücklage genommen werden, wo Ende 2021 eine Summe von 48,66 Millionen Euro zur Verfügung stand.

Einzelne Einsparungen bereits festgelegt

Bei den „mittleren Maßnahmen“ wurden bereits einzelne Entscheidungen getroffen. Zum Beispiel, dass der Bürgertag künftig nur noch im Zweijahresrhythmus durchgeführt wird und die Zuschüsse für Familienzentren entfallen. Nicht abgeschafft werden sollen dagegen zum Beispiel die Zuschüsse im Rahmen des Kommunalen Bildungsplans und der Zuschuss an das Schülerforschungszentrum.

Überprüft werden unter anderem diese Punkte:

  • Integration der Mitteilungsblätter der Ortschaften in BIKO,
  • Bündelung sozialer Subventionen beim Stadtpass,
  • Anpassung Schulbudgets,
  • Wegfall Fahrtkostenzuschüsse Sport,
  • Sparpotenziale bei Juks und Stadtteilverein Gaisental,
  • Reduzierung Standard Winterdienst auf rechtlich gefordertes Niveau sowie die Reduzierung der Straßenbeleuchtung nachts auf 25 Prozent.

Mehr Erträge könnten beispielsweise durch

  • die Anhebung der Kostendeckung von Tiefgaragen und Parkhäusern – die kostenfreie erste Stunde soll dabei beibehalten werden –,
  • die Anhebung der oberirdischen Parkgebühren,
  • die Überprüfung der Friedhofsgebühren,
  • die Anpassung der Verwaltungsgebührensatzung und
  • die Beteiligung der Vereine an Betriebskosten fließen.

Diese Überlegungen im Bereich der mittleren Maßnahmen könnten in Summe etwas mehr als eine Million Euro einbringen.

Bei den Überlegungen zu Einsparungen im kulturellen Bereich, hat der Gemeinderat mehrheitlich einige Einsparungen beschlossen. Insgesamt geht es um 352.000 Euro.

Diese Summe soll beispielsweise durch

  • eine allgemeine Reduzierung der städtischen Veranstaltungen – der Fokus soll auf Veranstaltungen gelegt werden, die weniger Abmangel verursachen –,
  • weniger Veranstaltungswerbung,
  • die Auflösung der Artothek in der Stadtbücherei und
  • eine Öffnung des Museums erst ab 11 statt bisher 10 Uhr erreicht werden.

VHS und Stadtbücherei sollen darüber hinaus zu einem kommunalen Bildungszentrum zusammengeführt werden, hierzu bedarf es aber noch einer Entscheidung des Gemeinderats.

Von Rücklagen zehren

Die Reaktionen der Fraktionen fielen gemischt aus. Hildegard Ostermeyer (FDP) betonte zwar, dass „vorausschauendes Planen und Handeln“ wichtig sei. Sie wolle aber die nächsten zwei Jahre der Haushaltsentwicklung abwarten, ehe weitreichende Beschlüsse gefasst werden. Vor allem in den Bereichen Betreuung, Bildung und Kultur. Die größten Sparpotenziale sehe sie in der Verwaltung und bei den Investitionen. „Durch das Verschieben von Maßnahmen im Hoch- und Tiefbau lassen sich hohe Summen einsparen.“

Dass es der Stadt Biberach immer noch gut gehe, bemerkte Friedrich Koelsch (CDU). „Wir sind nach wie vor überproportional ausgestattet.“ Jetzt müssten Abstriche gemacht werden, was im Einzelfall weh tue. Die vorgesehenen 100.000 Euro an Einsparungen im Bereich der Verwaltung könnten Koleschs Ansicht nach noch etwas höher ausfallen. „Es gibt viele kleinteilige Prozesse, die Kapazität binden und Geld kosten.“ Bei den Gebühren gelte es, diese kontinuierlich und organisch anzupassen.

„Wir haben in guten Zeiten Rücklagen gebildet, es ist kein Problem, jetzt davon zu zehren“, sagte Josef Weber (Grüne). Wichtig sei, die Sparmaßnahmen nicht auf dem Rücken der Bürger auszutragen. „Alles, was wir streichen, wird nie wieder so sein wie jetzt.“ Seine Fraktion sehe „sehr viele Punkte“ kritisch. Darunter die Einsparungen im kulturellen Bereich, beispielsweise bei der VHS oder dem Museum. „Kultur ist Seelennahrung, das sollten wir nicht vergessen.“

Vom „Biberacher Standard“ müsste man sich jetzt trennen, sagte Stefanie Etzinger (FW) – was die Freien Wähler schon lange forderten. „Außerdem muss das Investitionsprogramm kritisch hinterfragt werden.“

Gabriele Kübler (SPD) erklärte, dass nicht nur Sparmaßnahmen ergriffen, sondern durch die Erhöhung von Steuern auch mehr Einnahmen generiert werden müssten. Das Strecken des Investitionsprogramms sei ganz im Sinne der SPD-Fraktion. Ihre Fraktion befürworte eine sparsame Haushaltsführung, Kürzungen im Bildungs-, Betreuungs- und Kulturbereich gingen aber in die falsche Richtung. Die Stadt sei mit Blick auf die Rücklage noch in der Lage, Prioritäten zu setzen.