17.05.2023

Lkw-Durchfahrtsverbot wird 2024 getestet

Das Lkw-Durchfahrtsverbot auf der innerstädtischen B 312 kommt – zumindest probeweise. Der Gemeinderat hat entschieden, den Schwerlastverkehr während der Sanierung der Riedlinger Straße im kommenden Jahr über die Nordwestumfahrung, die Ulmer Straße und die Memmin-ger Straße zu führen. Also auf jener Trasse, die möglicherweise auch nach der Baustelle als Ausweichstrecke für Lkws dienen soll. Zunächst werden nach der Probephase aber die Auswir-kungen evaluiert, um dann eine finale Entscheidung über das sogenannte Lenkungskonzept zu treffen.
Wenn die Riedlinger Straße 2024 saniert wird, wird der Schwerlastverkehr probeweise über die Nordwestumfahrung, die Ulmer sowie die Memminger Straße geleitet.

Gut besucht war der Sitzungssaal im Rathaus vergangene Woche, vorwiegend von Anwohnern aus dem Bereich der Ulmer Straße und der Memminger Straße, die von der geplanten Verlagerung des Schwerlastverkehrs am meisten negativ betroffen sind.

Oberbürgermeister Norbert Zeidler erklärte, ihm sei eine Unterschriftsliste übergeben worden, auf der sich 465 Menschen – davon 432 aus Biberach – gegen den in dieser Sitzung zur Abstimmung stehenden Beschlussantrag aussprechen. Der OB und Ordnungsamtsleiterin Anna Kleine-Beek verwiesen zudem auf eine Informationsveranstaltung im März mit rund 130 Teilnehmenden, bei der die Möglichkeit bestand, sich zu informieren und Fragen zu stellen. Der Austausch sei sachlich und konstruktiv gewesen.

Die Ordnungsamtsleiterin umriss in der Sitzung nochmals kurz die wichtigsten Eckpunkte. Sie verwies auf das vom Gemeinderat im Mai 2020 beschlossene Mobilitätskonzept „Aufstieg B 30/verkehrslenkende Maßnahmen“, das als rechtliche Grundlage für das Lkw-Lenkungskonzept herangezogen werden könne.

Darin werden verschiedene Ziele festgehalten, unter anderem, dass die Leistungsfähigkeit stark belasteter Verkehrsknoten und Streckenabschnitte erhalten werden soll. Neben baulichen Maßnahmen wie der Gemeindeverbindungsstraße Blosenberg und dem B 30-Aufstieg müssen zur Erreichung dieser Ziele laut Kleine-Beek auch verkehrslenkende Maßnahmen ergriffen werden.

Zur Vermeidung des prognostizierten „Verkehrsinfarkts“ sowie zur Verbesserung der Wohn- und Lebensverhältnisse müsse der überörtliche und örtliche Durchgangsverkehr so weit wie möglich aus der Innenstadt hinaus auf das „strategische Netz“ gelenkt werden. Teil dieses Netzes ist die Nordwestumfahrung. Das Lkw-Durchfahrtsverbot auf der innerstädtischen B 312 sei letztlich eine logische Folgerung, um die Ziele des Mobilitätskonzepts zu erreichen, sagte Kleine-Beek.

Das Thema sei natürlich kontrovers, gleichwohl sprächen die Zahlen eine deutliche Sprache. In einem Bereich von 50 Metern seien auf der B 312 innerorts 2.176 Anwohner betroffen, in der Ulmer und Memminger Straße 462. „Die aktuelle Belastung durch den Verkehr ist deutlich größer als künftig auf der geplanten Umleitungsstrecke“, so Kleine-Beek.

Monitoring der Gesamtsituation

Die für 2024 geplante Baustelle in der Riedlinger Straße soll nun zum Anlass genommen werden, den Schwerlastverkehr über Nordwestumfahrung, Ulmer Straße und Memminger Straße zu leiten. In dieser Testphase sollen Zahlen erhoben, etwaige Schleichwege und Unfallschwerpunkte ausgemacht sowie Rückmeldungen der Anwohner gesammelt werden. Kleine-Beek sprach von einem „Monitoring der Gesamtsituation“. Parallel dazu müsse bis Mitte 2024 der Lärmaktionsplan fortgeschrieben werden, was aufgrund neuer Grenzwerte zu weiteren Maßnahmen führen könnte.

Josef Weber (Grüne) verwies darauf, dass seine Fraktion seit 2019 „Jahr für Jahr“ ein Lkw-Durchfahrtsverbot im innerstädtischen B 312-Bereich beantragt habe. Bis der geplante B 30-Aufstieg komme, müssten Ulmer und Memminger Straße als Ausweichrouten genutzt werden. Ihm sei klar, so Weber, dass nach dem Sankt-Florians-Prinzip gehandelt werde. „Aber es ist immer eine Abwägungssache und die Zahlen verdeutlichen, dass viel mehr Menschen entlastet als belastet werden.“ Für die Anwohner der Ulmer und Memminger Straße müssten Entlastungen wie Lärmschutz und Geschwindigkeitsbegrenzungen geprüft und umgesetzt werden.

Auch die FDP signalisierte, der Testphase zuzustimmen. „Wir haben eigentlich keine andere Option“, sagte Oliver Lukner. Grundsätzlich habe die Stadt ein „großes Verkehrsproblem“, für das es aktuell aber keine guten Lösungen gebe. „Die Lösung kommt erst mit dem B 30-Aufstieg, aber bis dahin sollten wir alles unternehmen, die Belastung so weit wie möglich abzumildern.“ Lukner bat darum, Lärmschutzmaßnahmen auf den Umleitungsstrecken zu prüfen. Zudem sei auch ein Lenkungskonzept für den Pkw-Verkehr erforderlich, damit nicht alles auf die Steigmühlstraße und die Wolfentalstraße verlagert werde. „In der Steigmühlstraße haben die Anwohner nicht mal einen Gehweg.“

Dass sich seine Fraktion mit dem Beschlussantrag schwertue, erklärte Friedrich Koelsch (CDU). Einem „Vorratsbeschluss für später“ könne man nicht zustimmen. Im Nachhinein, so Kolesch, würde es heißen: „Ihr habt einem Konzept zugestimmt.“ Zudem sei es das erste Mal, dass der Gemeinderat einem Konzept für eine Umleitung zustimmen solle. Kolesch machte darauf aufmerksam, dass in den Bereichen der Ulmer und Memminger Straße „wesentlich mehr Menschen betroffen seien, als man auf den ersten Blick denkt“. „Wir sind auch für ein Lkw-Durchfahrtsverbot, aber erst dann, wenn wir eine Alternative haben“, sagte Kolesch und verwies auf den geplanten Aufstieg zur B 30 und die Gemeindeverbindungsstraße Blosenberg.

„Wir können dem Beschlussantrag nur zustimmen“, erklärte Flavia Gutermann (FW). Die Testphase sei schließlich „keine Bibel für später“. Die Ergebnisse der Probezeit lieferten wichtige Erkenntnisse für das eigentliche Lenkungskonzept. Wichtig sei, im Blick zu behalten, wie sich Verkehr und Lärm auf der Memminger und der Ulmer Straße weiterentwickelten.

Lutz Keil (SPD) betonte, es sei wichtig, die Lebensqualität aller Anwohner nicht weiter zu schädigen. „Der Blick auf die Daten macht nicht glücklich, hilft aber eventuell dabei, eine vernünftige Lösung herbeizuführen.“ Er forderte bereits jetzt Maßnahmen, um die Lärmsituation zu verbessern und warf zudem die Frage auf, was man eigentlich den Lkw-Fahrern zumute, wenn diese weiter durch die Stadt im Bereich Kolpingstraße/ Riedlinger Straße fahren müssten. Die große Frage sei, wie es nach dem Ende der Baustelle in der Riedlinger Straße weitergehe. „Für uns war das eine sehr schwierige Diskussion“, sagte Keil.

Es bestehe Einigkeit darüber, die Lastwagen aus der Stadt raushaben zu wollen, sagte Ralph Heidenreich (Linke). Ein Durchfahrtsverbot zu kontrollieren, sei aber grundsätzlich schwierig. Den Anliegern der Lkw-Umleitungsstrecke empfahl Heidenreich, selbst Daten zu erheben. Dem zweiten Teil des Beschlussantrags, die Auswirkungen der Probephase zu evaluieren, könne er zustimmen. Den ersten Teil müsse man allerdings umformulieren, sonst könne der Eindruck entstehen, „ein Konzept unter der Hand durchdrücken zu wollen“.

Ausdrücklich probeweise

Baubürgermeister Christian Kuhlmann zeigte sich über die Diskussion „stark verwundert“ und verdeutlichte nochmals, dass beim Beschlussantrag zum Lenkungskonzept ausdrücklich das Wort „probeweise“ stehe. Weiter habe man ausgeführt, dass die positiven und negativen Auswirkungen „Grundlage für die finale Entscheidung über das Lenkungskonzept“ seien. „Deshalb verstehe ich die Diskussion überhaupt nicht.“ In Richtung Heidenreich sagte Kuhlmann, dass die Stadt systematisch Daten erheben werde. „Wir haben bereits ausführliche Daten und werden diese ergänzen.“ Diese dienten dann als Grundlage für eine Entscheidung im Jahr 2025.

OB Zeidler bemerkte, er verstehe die Welt auch nicht mehr. So sei es beispielsweise nicht richtig, dass die Räte noch nie ein Umleitungskonzept vorgestellt bekommen hätten. Erst jüngst sei dies im Bauausschuss zu den Baustellen, insbesondere im Zuge Umbau Wielandstraße/Consulentengasse, erfolgt.

Nachdem seitens der Verwaltung nochmals verdeutlicht wurde, dass an diesem Tag kein finales Lenkungskonzept beschlossen wird, stimmten alle Räte mit Ausnahme des sich enthaltenden Ralph Heidenreichs für die probeweise Umsetzung des Lkw-Durchfahrtsverbots. Der anschließenden Evaluation der Testphase stimmten alle zu.